Kalte Schnauze – Hundeblog

Immer dieser scheiß Perfektionismus. Ehrlich. Er geht mir auf den Senkel. Er blockiert mich. Er setzt mich unter Druck. Das wiederum hemmt mich beim Arbeiten. Gut ist niemals gut genug.

In der Hundeerziehung ist das genauso. Erst mal sehe ich bloß, was alles noch nicht funktioniert. Was besser laufen sollte. Dabei klappt schon eine ganze Menge. Darum atme ich tief ein und wieder aus, lasse alle Fünfe gerade sein und konzentriere mich auf das Positive.

Und siehe da: Ich bin stolz auf das, was Javi in nur acht Wochen gelernt hat

Die ersten vier Wochen fiel es Javi schwer, sich draußen während der Spaziergänge zu lösen. Alles war zu aufregend. Der Schutz im Garten für ihn die sicherste und die beste Lösung – im wahrsten Sinne des Wortes.

Heute macht er auch unterwegs sein Geschäft. Mal hebt er das Bein, mal nicht. Meistens läuft er aus. Manchmal wird auch am Ende des Gassis noch mal Pippi gemacht. Markieren ist noch nicht seins. Das kommt vielleicht noch, wenn er älter ist.

Wo wir schon beim Thema sind: Die Klospülung findet Javi auch nicht mehr gruselig. Auch der Fön ist unspektakulär und der Staubsauger immer weniger bedrohlich. Er geht ihm zwar noch aus dem Weg, aber ohne Anzeichen von Stress.

Javi hat gelernt, dass es sich lohnt, etwas mit mir zu machen. Leckerlis konnte er anfangs nichts abgewinnen. Wahrscheinlich war ihm der Stress im Weg. Jetzt findet er sie toll und hat großen Spaß daran, sie mit mir zu suchen. Mal verstecke ich sie im Haus, mal im Garten. Er schafft es sogar schon sitzen zu bleiben und mich dabei zu beobachten, wie ich die Leckereien verstecke. Wenn ich den Schnüffelteppich hervorhole, hat er keine Fragezeichen mehr im Kopf. Er weiß genau, was zu tun ist. Dass im Kong schon mal Schmackhaftes versteckt ist, hat Javi auch gecheckt. Ebenso das Clickern.

Es ist übrigens zu süß, wie Javi vor seinem Futternapf sitzt und wartet, dass ich ihn freigebe.

Apportieren klappt immer besser mit ihm. Anfangs hat er nicht begriffen, warum er mir den Futterbeutel oder das Zergel freiwillig geben sollte. Aus? Was ist aus? Auch das macht er immer besser. Vor allem fasst er nicht mehr nach, wenn er zufällig das Objekt der Begierde losgelassen hat und ich es festhielt.

Er weiß jetzt, dass alles, was ich gerade in der Hand halte, nicht ihm gehört und er anständig warten muss, wenn er was von mir will. Das gilt übrigens auch, wenn der Futterbeutel fliegt und landet. Erst wenn ich Javi das Okay gebe, darf er loslaufen (Keine Angst, er darf auch mal direkt hinterherlaufen. Wir sind nicht beim Militär). Damit trainiere seine Impulskontrolle. So habe ich es auch mit Cabo gemacht und den Schwierigkeitsgrad langsam erhöht. Letzten Endes konnte ich ihn von Rehen und Kaninchen abrufen, wenn es sein musste. Wäre cool, wenn das auch mit Javi möglich wäre – irgendwann.

Das Riesenbaby ist ne Rampensau

Javi wartet im Kofferraum, bis ich die Rampe auf- und abgebaut habe.

Javi mag Autofahren. Keine Ahnung, wer ihm das beigebracht hat. Normalerweise finden Hunde das Autofahren zu Beginn ziemlich blöd. Regelmäßig wird ihnen schlecht oder sie erbrechen sogar im Auto. Javi nicht. Der sitzt da im Kofferraum und wartet ab, was passiert. Sitze ich mit ihm auf der Rückbank, schläft er tief und fest ein.

Javi hat innerhalb von wenigen Tagen gelernt, die Rampe zum Ein- und Aussteigen ins bzw. aus dem Auto zu benutzen. Dafür habe ich sie einen Tag in meinem Wohnzimmer liegen gehabt und ihn zwischendurch immer wieder darüber geführt. Dann habe ich sie ans Sofa gestellt, damit er sich an die Steigung bzw. an die andere Position gewöhnt. Als ich die Rampe das erste Mal ans Auto stellte, damit Javi in den Kofferraum kommt, wusste er sofort, was zu tun ist.

Wann Perfektionismus nicht doof ist

Was ich super an Javi finde, dass er schon Grenzen akzeptiert und sie je nach Thema nur selten hinterfragt oder mit mir diskutiert. Er braucht zwar ein paar Wiederholungen, aber das ist vollkommen in Ordnung für einen Hund, dem Grenzen vollkommen fremd waren.

Sowieso habe ich das Gefühl, dass er Spaß daran hat, Neues zu lernen und zu erleben. Nicht alles klappt stressfrei, aber das kommt noch. Ich bin sehr zufrieden mit seiner Entwicklung. Oder besser gesagt: mit unserer Entwicklung. Wir beide wissen uns immer genauer einzuschätzen und zu lesen. Besonders schön finde ich, dass er nicht mehr ausweicht, wenn ich oder meine Eltern ihn am hinteren Rücken kraulen. Ich denke, er war es einfach nicht gewohnt, überall angefasst zu werden.

Javi bringt mir Ruhe und Gelassenheit bei. Das ist der Schlüssel zu seiner Seele. Geduld war schon immer mein Problem. Cabo hat mit mir bereits gut daran gearbeitet. Javi fordert mich nun heraus, meine Geduld zu perfektionieren. Ich glaube, bei diesem Thema finde ich Perfektionismus alles andere als scheiße. ;-)

In die Kamera gucken kann Javi auch schon super.

7 KommentareHinterlasse einen Kommentar

  • Ihr macht das toll und Javi hat wirklich so viel gelernt. Ihr könnt stolz auf Euch sein. Und das alles wird nur der Anfang sein…
    Im Übrigen ist Perfektion langweilig….

  • Mein Kompliment, ihr habt in den 8 Wochen mehr erreicht als viele andere Hund-/Mensch-Teams in vielen Jahren. Das Wort Perfektionismus solltest du aus deinem Wortschatz streichen. Wer perfekt sein möchte sucht das Unerreichbare und das verursacht Stress. Stress hat zumindest im Umgang mit Hunden nichts zu suchen. Nicht umsonst sage ich immer, man muss sich ganz auf seine Fellnase einlassen, nur dann hat man Erfolg. Sich auf den Hund einlassen funktioniert aber nur ohne Stress. Ich freue mich, dass Javi dir nicht nur Geduld beibringt. Du schreibst so schön, „Wir beide wissen uns immer genauer einzuschätzen und zu lesen“. Javi kann – wie alle anderen Hunde auch – den Menschen schneller und besser lesen und einschätzen als umgekehrt. Was aber das in meinen Augen so schön ist, da du dich auf Javi einlässt, gibst du ihm die Möglichkeit dein Lehrer zu sein wenn es darum geht den Moment zu erleben zu beobachten und ihn zu verstehen. Wie ist es wenn du mit ihm Suchspiele machst oder etwas übst? Du bist doch in diesem Moment voll und ganz bei ihm und bei dem was ihr macht, oder? Genau das sind auch die Momente die Javi genießt. In solchen Momenten geht es nicht um Perfektionismus, der würde da nur stören.
    Herzliche Grüße vom Rhein
    Christoph

    • Perfektionismus ist überall fehl am Platz. Auf meine Geduld bezogen, würde er mir allerdings gut tun. Ich wäre gerne sehr viel mehr geduldiger und gelassener. Nicht nur in Bezug auf Javi. Aber dank Javi lerne ich, wie gut ihm das tut und mir genauso. Was ich durch ihn ebenfalls lerne, meine Erwartungshaltungen an ihn und an mich runterzuschrauben. Ein herrliches Gefühl.

      Herzliche Grüße zurück – und drück mir Telmo

  • Ich weiß gar nicht, was du hast. Für 2 Monate ist das doch wohl ein super Erfolg. Manch anderer Hund lernt sowas sein ganzes Leben lang nicht. Sei nicht ungeduldig, du hast nen super Hund ❤️❤️❤️

    • Ich bin auch total happy mit seiner Entwicklung. Er konnte und kannte ja wirklich nichts. Wir gehen Schritt für Schritt weiter, in Javis Tempo.

  • Liebe Silvana,
    ich habe gerade mit Rührung deine Artikel über deine Hunde gelesen, erst Cabo und dann Javi. Und ich freue mich, dass ihr so positiv in die Zukunft schaut! 💕 Ich denke Perfektionismus in der Hundeerziehung muss gar nicht sein. So lange man langsam aber sicher zu einem guten Team wird und einfach die für sich beste Weise findet, mit Situationen umzugehen.
    Lustig übrigens dass das Autofahren bei euch so gut klappt, das war bei meinem Cosmo auch von Anfang an so. Das Auto ist sozusagen ein mobiles Hundekörbchen mit Aussicht für ihn.
    Liebe Grüße,
    Maike & Cosmo

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