„Ach?! Sie machen hier Urlaub in Osterode. Ist das nicht langweilig?“ Ich blicke in den Spiegel vor mir und beobachte die Friseurin dabei, wie sie mit der Effilierschere die Haare an meinen Hinterkopf schneidet. Als ich nicht sofort antworte, schaut sie mich an. Sie ist jung. Hat ein rundes, freundliches Gesicht. Ich merke, dass sie die Frage ernst meint. „Ja, warum nicht!? Mir gefällt Osterode“, antworte ich ehrlich. „Aber hier ist doch nichts los.“
Neben uns wird heftig diskutiert. Ich nehme nur Wortfetzen wahr: Aloha. Schwimmerbecken. Eine Schande. „Unser Freibad ist gerade Gesprächsthema Nummer eins. Es soll einem Anbau für das Hallenbad weichen. Gerade die alten Leute ärgert das, weil es das einzige Freibad mit 50-Meter-Schwimmerbecken in der Region ist“, sagt die Friseurin, die meinen fragenden Blick im Spiegel gesehen hat. „Aber mehr ist in Osterode wirklich nicht los“, fügt sie hinzu und lacht. Ich lache mit. Aus Höflichkeit.
Ich kann ihren Sarkasmus verstehen. Wenn ich nicht in Osterode am Harz Urlaub machen, sondern dort leben würde, würde ich wahrscheinlich auch anders über diese Stadt denken. Knapp 30.000 Menschen leben dort. Die meisten sind 45 bis 65 Jahre und älter. Osterode liegt im Südosten von Niedersachen im Landkreis Göttingen und am südwestlichen Rand des Oberharzes auf 220 Metern über dem Meeresspiegel. Osterode wird das Tor zum Harz genannt. Bis zur Wende, galt die Fachwerkstadt als Zonenrandgebiet.
Ganz klar: In Osterode steppt nicht der Bär. Muss er für mich auch nicht. Osterode punktet bei mir mit seinem bunten Fachwerk, der leicht hügeligen Landschaft und den unzähligen Wandermöglichkeiten. Allein vier Fernwanderwege führen durch Osterode: der Harzer-Hexen-Stieg (94 km), der Harzer BaudenStieg (98 km), der Harzer Förstertieg (60 km) und der Karstwanderweg (121 km). Im Nationalpark Harz ist man in wenigen Autominuten. Die Lage für Ausflüge nach Buntenbock, Clausthal-Zellerfeld, Goslar, Braunlage usw. ist ideal.
Der Campingplatz Eulenburg und das Industriedenkmal
Auch von unserem Campingplatz, der etwas außerhalb von Osterode liegt, gehen diverse Wanderwege ab. Das liebe ich, wenn ich erst gar nicht das Auto bewegen brauche, um wandern zu gehen. Auf den Campingplatz Eulenburg bin ich über die Internetseite des Harzer Tourismusverbandes aufmerksam geworden. Dort wurde der 4-Sterne-Platz so beschrieben: „Idyllisch am Landschaftsschutzgebiet gelegen, 2 km vom Stadtkern der malerischen Fachwerkstadt Osterode entfernt, umgeben von Bäumen, Wiesen und Bächen.“ Das stimmt auch. Hinzu kommt, dass der Platz einen eigenen kleinen Außenpool hat. Bei den sommerlichen Temperaturen total super. Außerdem fließt die Söse, ein Fluss, der mit der nahe gelegenen Sösetalsperre verbunden ist, direkt am Campingplatz vorbei. Das Wasser ist eiskalt.
Interessant ist auch das Industriedenkmal Eulenburg: eine ehemalige Textilfabrik, an die der Campingplatz direkt grenzt. Die „Wollwarenfabrik Greve & Uhl“ war weltweit bekannt als das Stammhaus der Kamelhaardecken. Im Haupthaus gibt es seit 2012 das Campinghotel Eulenburg. In der Alten Weberei kann seit 2008 Bowling gespielt werden. Anfangs dachte ich, das Bowlingcenter sei nicht mehr in Betrieb. Es war darin immer dunkel. Bis eines Abends dort Licht brannte und zwei Bahnen besetzt waren. Ob das Bowlingcenter in den Herbst- und Wintermonaten wohl häufiger besucht wird?
Etwas mehr los ist in der alten Spinnerei der Textilfabrik Eulenburg. Dort hat die gläserne Wassermanufaktur Verital, die Premium-Wasser herstellt und zweimal wöchentlich zum Verkauf anbietet, Räume gemietet. Probiert habe ich das Wasser nur einmal bei einer Freundin, die sich eine Flasche zum Kosten gekauft hatte.
Auf dem Gelände der Eulenburg gibt es auch einen historischen Wassergraben. Er treibt eine Turbine an, die den Campingplatz mit bis zu 25 kWh mit Strom versorgt.
Ich muss an meinem Camping-Nachbarn denken, der jeden Abend seine Klimaanlage im Wohnwagen volle Pulle laufen hat und den Ökostrom ordentlich nutzt. Zu gerne hätte ich ihm abends das Stromkabel aus dem Verteiler gezogen, wenn ich mal wieder nicht in meinem Zelt einschlafen konnte, weil der Lüfter des Geräts in mein linkes Ohr dröhnte. Idyllisch ist anders.
Mir ist es auf dem Campingplatz viel zu laut
Sowieso missfällt mir der Geräuschpegel auf dem Campingplatz. Klar: Es ist Sommer. Hauptferienzeit. Dass der Campingplatz mit seinem Pool viele Familien mit Kindern anzieht, irgendwo auch logisch. Doch dass dieser Platz aus allen Nähten platzt, damit hatte ich nicht gerechnet.
Das permanente Geschrei der Kleinen macht mich fertig. Ich bin das nicht gewohnt. Von Tag zu Tag merke ich, wie mich diese Unruhe auf dem Platz mürbe macht. Durch die hohen Temperaturen sind wir kaum unterwegs. Es ist einfach zu heiß. Auch die mangelnde Sauberkeit in den Sanitäranlagen empfinde ich ab der zweiten Woche nur noch als störend. Erst als eine Freundin von mir meckert, werden die Betreiber aktiv. Außerdem stapelt sich jeden Tag der Müll in den Containern am Eingang. Kein schöner Anblick.
Der Platz ist voll. Gerade dann muss man sich darauf einstellen und entsprechend planen. Auf anderen Campingplätzen geht das auch. Ich denke an den Oertzewinkel in der Südheide oder an Rehberge in der Uckermark. Da wird die Schuld auch nicht einer Putzfrau in die Schuhe geschoben, die es gar nicht gibt. Beschwerdemanagement geht anders. Schade eigentlich. Denn der Campingplatz Eulenburg ist im Grunde sehr schön. Zu einer anderen Jahreszeit ist es dort bestimmt um einiges ruhiger und sauberer.
„Soll ich Ihnen zum Föhnen Schaum in die Haare machen?“ Die Friseurin reißt mich aus meinen Gedanken. Wieder lächelt sie mich über den Spiegel an. „Ja, gerne“, sage ich. Gekonnt bringt sie meine neue Frisur in wenigen Minuten in Form. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Ich bezahle und bedanke mich bei ihr. Auch dafür, dass ich an einem Samstag – Markttag in Osterode – so spontan einen Termin bekommen habe.
Toll geschrieben! Genau so, wie du Osterode beschreibst, empfinde ich die meisten Städtchen im Harz. Manchmal etwas hübscher hergerichtet, manchmal etwas weniger, aber immer irgendwie in die Jahre gekommen und mit einem Hauch von Resignation. Mittlerweile habe ich ja den Harz lieben gelernt, nicht nur wegen der tollen Landschaft, auch diese spezielle Mischung aus Industriedenkmälern, ehemaligem „Zonenrandgebiet“ und heutigem grünem Band, dem oftmals sehr eigenen „Charme“ der Menschen… Schön, dass ihr den Harz besucht habt (und wir uns wiedergesehen haben).
Liebe Grüße von Andrea